Friedrich Christian Delius
Rom im Winter 1943: Margarete, eine 21-jährige Pfarrerstochter aus Mecklenburg, hält sich in einer deutschen Enklave, einem Diakonissenheim, auf. Ihr Mann Gerd, als Soldat nach Nordafrika abkommandiert, ist gezwungen, seine schwangere Frau allein in der ihr fremden Stadt, in einem Land, dessen Sprache sie nicht spricht, zurückzulassen. Friedrich Christian Delius schmiegt sich – in dieser offenkundig autobiografischen Erzählung – der Perspektive dieser jungen Frau dicht an. An einem Samstagnachmittag unternimmt sie einen Spaziergang in die Kirche in der Via Sicilia und lässt sich dabei von Gedanken- und Gefühlssprüngen treiben. “Zu evangelisch oder zu norddeutsch oder zu jung” fühlt sie sich “in der ewig genannten Stadt”, und der Text registriert minuziös ihre Ängste: vor den unvertrauten Eindrücken, die in Rom auf sie einprasseln, vor dem Krieg, vor der ungewissen Zukunft. “Das Bildnis der Mutter als junge Frau” lässt sich ganz auf die Empfindungen Margaretes ein und korrigiert ihre mal furchtsamen, mal naiven Gedankengänge nicht im Nachhinein. Vor den politischen Zuständen der Zeit schreckt sie zurück. Ohne den Beistand ihres Mannes fühlt sie sich unsicher, und den defätistischen Bemerkungen ihrer Zimmergenossin Ilse will sie keinen Glauben schenken. Nichts anderes als den “Endsieg” mag sie sich vorstellen, voller Sorge, dass ihr Nachwuchs ohne Vater aufwachsen könnte. “Es war besser, nicht zu viel zu wissen”, “Kein Leid ist umsonst” – mit diesen Hilflosigkeit signalisierenden Sentenzen versucht sich Margarete durchzuschlagen und die Trennung von Gerd, diese “unfassliche, überwältigende Enttäuschung”, zu verkraften. Erst ganz am Ende, als sie an ihrem Ziel angelangt ist, genießt sie ein klassisches Konzert, das ihr ein “Himmelszelt der Musik” auftut und erahnen lässt, wie eine Welt ohne Krieg aussehen könnte.
Friedrich Christian Delius‘ Erzählung ist Prosa, die mit einem einzigen Punkt auskommt – und dennoch nichts von Atemlosigkeit und Hast hat. Stattdessen nehmen wir auf bewegende Weise Anteil am Innenleben einer Frauenfigur, mit der sich der Autor ein Bild seiner eigenen Mutter gemacht hat.
Rom im Winter 1943: Margarete, eine 21-jährige Pfarrerstochter aus Mecklenburg, hält sich in einer deutschen Enklave, einem Diakonissenheim, auf. Ihr Mann Gerd, als Soldat nach Nordafrika abkommandiert, ist gezwungen, seine schwangere Frau allein in der ihr fremden Stadt, in einem Land, dessen Sprache sie nicht spricht, zurückzulassen. Friedrich Christian Delius schmiegt sich – in dieser offenkundig autobiografischen Erzählung – der Perspektive dieser jungen Frau dicht an. An einem Samstagnachmittag unternimmt sie einen Spaziergang in die Kirche in der Via Sicilia und lässt sich dabei von Gedanken- und Gefühlssprüngen treiben. “Zu evangelisch oder zu norddeutsch oder zu jung” fühlt sie sich “in der ewig genannten Stadt”, und der Text registriert minuziös ihre Ängste: vor den unvertrauten Eindrücken, die in Rom auf sie einprasseln, vor dem Krieg, vor der ungewissen Zukunft. “Das Bildnis der Mutter als junge Frau” lässt sich ganz auf die Empfindungen Margaretes ein und korrigiert ihre mal furchtsamen, mal naiven Gedankengänge nicht im Nachhinein. Vor den politischen Zuständen der Zeit schreckt sie zurück. Ohne den Beistand ihres Mannes fühlt sie sich unsicher, und den defätistischen Bemerkungen ihrer Zimmergenossin Ilse will sie keinen Glauben schenken. Nichts anderes als den “Endsieg” mag sie sich vorstellen, voller Sorge, dass ihr Nachwuchs ohne Vater aufwachsen könnte. “Es war besser, nicht zu viel zu wissen”, “Kein Leid ist umsonst” – mit diesen Hilflosigkeit signalisierenden Sentenzen versucht sich Margarete durchzuschlagen und die Trennung von Gerd, diese “unfassliche, überwältigende Enttäuschung”, zu verkraften. Erst ganz am Ende, als sie an ihrem Ziel angelangt ist, genießt sie ein klassisches Konzert, das ihr ein “Himmelszelt der Musik” auftut und erahnen lässt, wie eine Welt ohne Krieg aussehen könnte.
Friedrich Christian Delius‘ Erzählung ist Prosa, die mit einem einzigen Punkt auskommt – und dennoch nichts von Atemlosigkeit und Hast hat. Stattdessen nehmen wir auf bewegende Weise Anteil am Innenleben einer Frauenfigur, mit der sich der Autor ein Bild seiner eigenen Mutter gemacht hat.