Mo 9.10.06
20.00 Uhr
Ort: Literaturhaus, Schwanenwik 38, 22087 Hamburg
Stephan Schad: Stephan Schad
8,-/6,-/4,-

Hallgrímur Helgasson

liest aus seinem neuen Roman „Rokland“ Stephan Schad liest den deutschen Text, Karl-Ludwig Wetzig moderiert

Gibt es gegenwärtig einen originelleren, sprach- und bildmächtigeren skandinavischen Autor als den Isländer Hallgrímur Helgason? Wohl kaum … und als hätten wir nicht genug damit zu tun, seine beiden vorangegangenen Romane – “101 Reykjavík” (vielen auch durch die Verfilmung bekannt) und “Vom zweifelhaften Vergnügen, tot zu sein” – zu verkraften, ist Helgasons neuer Streich ein weiterer Beleg seiner Erzählkunst. Böddi, Ende dreißig, Nietzsche-Verehrer, lebt im Norden Islands und sieht seine mittlerweile von Westeuropäern kultisch verehrte Insel voller Verachtung als “Fernheizungshölle” und “Kuschelnest für feige Memmen”. Leicht hat es Böddi ohnehin nicht: Seine Anstellung als Lehrer verliert er, weil seine rüden, unorthodoxen Erziehungsmethoden, die gegen die Verweichlichung der jungen Generation angehen, auf wenig Gegenliebe stoßen. Seine Übersetzungen von Hölderlin-Gedichten schreiten mäßig voran; das Zusammenleben mit seiner fernsehsüchtigen, ihn mit Nahrung versorgenen Mutter im gemeinsamen Anwesen “Rokland” entspricht nicht den Vorstellungen von “Schöner wohnen”; die Liebe zum Mädchen Lara Maria bleibt unerwidert, und als seine Kurzzeitbekannte Dagga nach einem hastigen Beilager auf der Motorhaube eines eilends aufgesuchten Automobils ein Kind erwartet, erweist sich die Feststellung der Vaterschaft als schwierige, für Böddi nicht wirklich befriedigende Angelegenheit.

“Rokland” geißelt die Abartigkeiten der westeuropäischen Zivilisation. Deren schärfster Kritiker, Böddi, freilich ist nicht unbedingt ein würdiger Vertreter des Kulturpessimismus, und so gerät man in eine tiefe Verunsicherung: Steht es wirklich so schlecht um Island und um seine von Fast-Food-Ketten verdrängten regionalen Spezialitäten? Oder ist der Schullehrer ein Irregeleiter? Vor allem wenn er sich am Ende wie einst Don Quichotte in die Hauptstadt Reykjavík aufmacht, um das Abendland zu retten … unter gütiger Beihilfe eines Fernsehsenders, der den “lonesome rider” sofort in sein Studio bittet.

“Rokland”, da hilft kein Drumherumreden, ist ein famoser Roman.

8,-/6,-/4,-

Gibt es gegenwärtig einen originelleren, sprach- und bildmächtigeren skandinavischen Autor als den Isländer Hallgrímur Helgason? Wohl kaum … und als hätten wir nicht genug damit zu tun, seine beiden vorangegangenen Romane – “101 Reykjavík” (vielen auch durch die Verfilmung bekannt) und “Vom zweifelhaften Vergnügen, tot zu sein” – zu verkraften, ist Helgasons neuer Streich ein weiterer Beleg seiner Erzählkunst. Böddi, Ende dreißig, Nietzsche-Verehrer, lebt im Norden Islands und sieht seine mittlerweile von Westeuropäern kultisch verehrte Insel voller Verachtung als “Fernheizungshölle” und “Kuschelnest für feige Memmen”. Leicht hat es Böddi ohnehin nicht: Seine Anstellung als Lehrer verliert er, weil seine rüden, unorthodoxen Erziehungsmethoden, die gegen die Verweichlichung der jungen Generation angehen, auf wenig Gegenliebe stoßen. Seine Übersetzungen von Hölderlin-Gedichten schreiten mäßig voran; das Zusammenleben mit seiner fernsehsüchtigen, ihn mit Nahrung versorgenen Mutter im gemeinsamen Anwesen “Rokland” entspricht nicht den Vorstellungen von “Schöner wohnen”; die Liebe zum Mädchen Lara Maria bleibt unerwidert, und als seine Kurzzeitbekannte Dagga nach einem hastigen Beilager auf der Motorhaube eines eilends aufgesuchten Automobils ein Kind erwartet, erweist sich die Feststellung der Vaterschaft als schwierige, für Böddi nicht wirklich befriedigende Angelegenheit.

“Rokland” geißelt die Abartigkeiten der westeuropäischen Zivilisation. Deren schärfster Kritiker, Böddi, freilich ist nicht unbedingt ein würdiger Vertreter des Kulturpessimismus, und so gerät man in eine tiefe Verunsicherung: Steht es wirklich so schlecht um Island und um seine von Fast-Food-Ketten verdrängten regionalen Spezialitäten? Oder ist der Schullehrer ein Irregeleiter? Vor allem wenn er sich am Ende wie einst Don Quichotte in die Hauptstadt Reykjavík aufmacht, um das Abendland zu retten … unter gütiger Beihilfe eines Fernsehsenders, der den “lonesome rider” sofort in sein Studio bittet.

“Rokland”, da hilft kein Drumherumreden, ist ein famoser Roman.