Mi 17.9.08
19.00 Uhr
Ort: Literaturhaus - Schwanenwik 38 - 22087 Hamburg
8,-/6,-/4,-

philosophisches café: dieter thomä

Thema: Väter in der vaterlosen Gesellschaft. Gast: Dieter Thomä Reinhard Kahl moderiert

„Daddy’s gone across the ocean / Leaving just a memory / A snapshot in the family album…”
Pink Floyd, The Wall

Der Vater war einst Inbegriff der unerschütterlichen Ordnung. Sie reichte vom Himmel über den König und den ganzen Staat hinunter in die Familie. Dann wollten die Menschen nur noch Brüder ohne Väter sein. Aber die Baustellen der Moderne blieben unfertig. Denn, so fragt der in St. Gallen lehrende Philosoph Dieter Thomä, wo hat in einer Welt aus Brüdern (und Schwestern) das Generationenverhältnis seinen Platz? Lauter letzte Menschen ohne Herkunft? Die Moderne ist ständig in Gefahr, zur Ruine zu verkommen. Gegenbewegungen blieben nicht aus. Bald liehen sich Väter vom erloschenen Patriarchen die Accessoires einer Macht, die sie längst verloren hatten, und behaupteten diese Macht nun erst recht. Sie machten sich davon oder kümmerten als abwesend Anwesende vor sich hin. In der Familie spielten Väter bald „eine Rolle zwischen Zaungast und Aufseher”, diagnostiziert Thomä. „Der Vater wird ein lebender Widerspruch, ein Zwitter aus Machterhalt und Machtverlust”. Und die Familie schwankt zwischen Hohlraum und Stauraum. Es gab manchen Versuch, das Kind mit dem Bade auszuschütten, also auf die Väter am liebsten ganz zu verzichten. Thomä zeichnet diese Geschichten nach und sucht nach neuen Arten, Vater zu sein. Das ist keine private Frage. Es ist die nach dem Generationenverhältnis. Jedes Generationenverhältnis ist eine Formel von Erneuerung und Bewahrung. Deshalb nennt Thomä sein Buch „Väter”, eine „moderne Heldengeschichte.”

Denn Väter, die sich nicht mehr als Patriarchen verkleiden und auch nicht davonstehlen, können nicht anders, als Gegenwart zu schaffen und in ihrem Alltag an einer Welt zu bauen, in der pompöse Ruinen in Lebenswelten verwandelt werden könnten. Das Nachdenken über Väter ist also ein konkreter und überprüfbarer Versuch dessen, was Hegel unter Philosophie verstand: Seine Zeit in Gedanken fassen. Wie lebt man in der vaterlosen Gesellschaft, in der jeder einen Vater hat und viele Väter werden – trotz alledem und häufig mit Begeisterung?

Thomäs Buch „Väter. Eine moderne Heldengeschichte“ erscheint im Carl Hanser Verlag.

8,-/6,-/4,-

„Daddy’s gone across the ocean / Leaving just a memory / A snapshot in the family album…”
Pink Floyd, The Wall

Der Vater war einst Inbegriff der unerschütterlichen Ordnung. Sie reichte vom Himmel über den König und den ganzen Staat hinunter in die Familie. Dann wollten die Menschen nur noch Brüder ohne Väter sein. Aber die Baustellen der Moderne blieben unfertig. Denn, so fragt der in St. Gallen lehrende Philosoph Dieter Thomä, wo hat in einer Welt aus Brüdern (und Schwestern) das Generationenverhältnis seinen Platz? Lauter letzte Menschen ohne Herkunft? Die Moderne ist ständig in Gefahr, zur Ruine zu verkommen. Gegenbewegungen blieben nicht aus. Bald liehen sich Väter vom erloschenen Patriarchen die Accessoires einer Macht, die sie längst verloren hatten, und behaupteten diese Macht nun erst recht. Sie machten sich davon oder kümmerten als abwesend Anwesende vor sich hin. In der Familie spielten Väter bald „eine Rolle zwischen Zaungast und Aufseher”, diagnostiziert Thomä. „Der Vater wird ein lebender Widerspruch, ein Zwitter aus Machterhalt und Machtverlust”. Und die Familie schwankt zwischen Hohlraum und Stauraum. Es gab manchen Versuch, das Kind mit dem Bade auszuschütten, also auf die Väter am liebsten ganz zu verzichten. Thomä zeichnet diese Geschichten nach und sucht nach neuen Arten, Vater zu sein. Das ist keine private Frage. Es ist die nach dem Generationenverhältnis. Jedes Generationenverhältnis ist eine Formel von Erneuerung und Bewahrung. Deshalb nennt Thomä sein Buch „Väter”, eine „moderne Heldengeschichte.”

Denn Väter, die sich nicht mehr als Patriarchen verkleiden und auch nicht davonstehlen, können nicht anders, als Gegenwart zu schaffen und in ihrem Alltag an einer Welt zu bauen, in der pompöse Ruinen in Lebenswelten verwandelt werden könnten. Das Nachdenken über Väter ist also ein konkreter und überprüfbarer Versuch dessen, was Hegel unter Philosophie verstand: Seine Zeit in Gedanken fassen. Wie lebt man in der vaterlosen Gesellschaft, in der jeder einen Vater hat und viele Väter werden – trotz alledem und häufig mit Begeisterung?

Thomäs Buch „Väter. Eine moderne Heldengeschichte“ erscheint im Carl Hanser Verlag.