philosophisches café mit gerald hüther
„Ohne Gefühl geht gar nichts!” Gerald Hüther
Das Gefühl stand lange Zeit unter Generalverdacht. Es sei ungenau, unaufgeklärt und eigentlich nur eine Quelle von Täuschungen. Gemessen an der Vernunft galt es als minderwertig, beinahe animalisch. Kurz, das Gefühl war eine leider nicht ganz zu vermeidende Verunreinigung der Ideen und des rationalen Handelns. Nur eine Minderheitsfraktion in der Philosophie, etwa die Neue Phänomenologie, sah den Leib und seine Gefühle als Grund von allem anderen. Nun nehmen Neurobiologen diesen Ball auf. Ohne den Wunsch und die Verletzbarkeit, die unserer Leiblichkeit entspringen, entsteht kein Sinn. Emotionen haben einen dialogischen Kern. Sie entstehen zwischen den Menschen. Dieses Zwischen ist die Konstitutionssphäre unserer Welt. An der Art von Beziehungen entscheidet sich, welche Welt hervorgebracht wird. In dieser Sphäre allerdings, so fürchtet der Neurobiologe und Hirnforscher Gerald Hüther, droht Verwüstung. Wenn zum Beispiel Eltern versuchen ihrem Kind alles recht zu machen und im Gegenzug von ihm verlangen, auf seinen Eigensinn zu verzichten, dann schwächen sie ihre Subjektivität, statt ihr Eigenes gegenseitig auszudifferenzieren. „Mit Emotionen wird Bedeutung aus dem Rauschen der Kommunikation herausgeholt”, so Hüther. „Der Blick, die Stimme und die Gestik laden sie auf.” Voraussetzung dafür ist die Verschiedenheit der Menschen. Aus unseren Wünschen, aus Anziehung und Abstoßung modellieren wir die Welt. „Die Hauptaufgabe des Gehirns ist ja nicht das Denken, sondern die Aufrechterhaltung der inneren Ordnung im Körper. Vom Gehirn aus werden alle körperlichen Prozesse gesteuert. Das ist Arbeit. Davon merken wir nur nichts. Lediglich ein kleiner Nebenaspekt ist – und den haben wir Menschen sehr weit getrieben –, dass man diese inneren Abläufe besser regulieren kann, wenn man vorausschauend denken kann.”
Gerald Hüther ist Professor für Neurobiologie an der Universität Göttingen. Seine Forschungsschwerpunkte gelten den Auswirkungen von Angst und Stress auf das Gehirn sowie der Beeinflussbarkeit kindlicher Hirnentwicklung.
„Ohne Gefühl geht gar nichts!” Gerald Hüther
Das Gefühl stand lange Zeit unter Generalverdacht. Es sei ungenau, unaufgeklärt und eigentlich nur eine Quelle von Täuschungen. Gemessen an der Vernunft galt es als minderwertig, beinahe animalisch. Kurz, das Gefühl war eine leider nicht ganz zu vermeidende Verunreinigung der Ideen und des rationalen Handelns. Nur eine Minderheitsfraktion in der Philosophie, etwa die Neue Phänomenologie, sah den Leib und seine Gefühle als Grund von allem anderen. Nun nehmen Neurobiologen diesen Ball auf. Ohne den Wunsch und die Verletzbarkeit, die unserer Leiblichkeit entspringen, entsteht kein Sinn. Emotionen haben einen dialogischen Kern. Sie entstehen zwischen den Menschen. Dieses Zwischen ist die Konstitutionssphäre unserer Welt. An der Art von Beziehungen entscheidet sich, welche Welt hervorgebracht wird. In dieser Sphäre allerdings, so fürchtet der Neurobiologe und Hirnforscher Gerald Hüther, droht Verwüstung. Wenn zum Beispiel Eltern versuchen ihrem Kind alles recht zu machen und im Gegenzug von ihm verlangen, auf seinen Eigensinn zu verzichten, dann schwächen sie ihre Subjektivität, statt ihr Eigenes gegenseitig auszudifferenzieren. „Mit Emotionen wird Bedeutung aus dem Rauschen der Kommunikation herausgeholt”, so Hüther. „Der Blick, die Stimme und die Gestik laden sie auf.” Voraussetzung dafür ist die Verschiedenheit der Menschen. Aus unseren Wünschen, aus Anziehung und Abstoßung modellieren wir die Welt. „Die Hauptaufgabe des Gehirns ist ja nicht das Denken, sondern die Aufrechterhaltung der inneren Ordnung im Körper. Vom Gehirn aus werden alle körperlichen Prozesse gesteuert. Das ist Arbeit. Davon merken wir nur nichts. Lediglich ein kleiner Nebenaspekt ist – und den haben wir Menschen sehr weit getrieben –, dass man diese inneren Abläufe besser regulieren kann, wenn man vorausschauend denken kann.”
Gerald Hüther ist Professor für Neurobiologie an der Universität Göttingen. Seine Forschungsschwerpunkte gelten den Auswirkungen von Angst und Stress auf das Gehirn sowie der Beeinflussbarkeit kindlicher Hirnentwicklung.