Philosophisches Café mit Iso Camartin
„Fernsehen könnte für uns das sein, was Il Milone für Marco Polos Zeitgenossen war.“ Iso Camartin
Das Fernsehen ist nicht gerade das Lieblingsmedium der Philosophen. Außer wenn sie selbst darin auftreten. Den ultimativen Satz dazu sagte Odo Marquard vor sechs Jahren im ersten Philosophischen Café: „Der moderne Mensch will nicht mehr in den Himmel kommen, sondern ins Fernsehen.“ Böse Zungen behaupten, dieses Kommunikationsgesetz gelte inzwischen sogar für Päpste. Allerdings macht es einen Unterschied, ob man vor der Mattscheibe agiert oder hinter ihr sitzt. Was also ist das Fernsehen? Eine große Konditionierung zur Passivität, sagt die Kulturkritik. Sein eigentliches Ziel sei der „Homo sedens“, der sitzende und sedierte Mensch. Das Programm degeneriere mehr und mehr zur Fälscherwerkstatt, weil nur durchgeht, was vielen gefällt. Das Ergebnis: eine verklumpte und verniedlichte Welt. Selbst Dokumentationen sind inzwischen Dokusoaps. Seifen sie die Welt ebenso ein wie die Zuschauer? Und nun kommt Iso Camartin und bricht eine Lanze fürs TV. Es sei kein „Null-Medium“, wie Enzensberger anprangerte. Ganz im Gegenteil. „Fernsehen ist das Fenster zur Welt“. Das Wichtigste am Fernsehen sei, die Welt der Zuschauer mit der „Fremdwelt“ zu konfrontieren. Die ganze große Horizonterweiterung. Es gäbe zu sehen, was sonst niemand zu sehen bekäme. Nicht nur weil die Kameras überall hinkämen. Fernsehen sei ein Panoptikum von Sichtweisen.
Iso Camartin ist Literatur- und Kulturwissenschaftler, Philosoph und Publizist. Er war Professor für rätoromanische Literatur und Kultur in Zürich und hat von 2000 bis 2003 die Kulturabteilung des Schweizer Fernsehens geleitet. Neuerdings ist er Präsident von Suisseculture, einer Vereinigung der Kulturschaffenden. Soeben erschien von ihm bei Suhrkamp „Belvedere – Das schöne Fernsehen“. Darin schreibt er: „Der Kultur ureigenstes Gelände ist das Schöne, das Schaurige, das Schiefe, das Fromme, das Freche, das Finstere, das Spritzige, das Hundsföttische, das Aberwitzige, das Widersprüchliche.“
„Fernsehen könnte für uns das sein, was Il Milone für Marco Polos Zeitgenossen war.“ Iso Camartin
Das Fernsehen ist nicht gerade das Lieblingsmedium der Philosophen. Außer wenn sie selbst darin auftreten. Den ultimativen Satz dazu sagte Odo Marquard vor sechs Jahren im ersten Philosophischen Café: „Der moderne Mensch will nicht mehr in den Himmel kommen, sondern ins Fernsehen.“ Böse Zungen behaupten, dieses Kommunikationsgesetz gelte inzwischen sogar für Päpste. Allerdings macht es einen Unterschied, ob man vor der Mattscheibe agiert oder hinter ihr sitzt. Was also ist das Fernsehen? Eine große Konditionierung zur Passivität, sagt die Kulturkritik. Sein eigentliches Ziel sei der „Homo sedens“, der sitzende und sedierte Mensch. Das Programm degeneriere mehr und mehr zur Fälscherwerkstatt, weil nur durchgeht, was vielen gefällt. Das Ergebnis: eine verklumpte und verniedlichte Welt. Selbst Dokumentationen sind inzwischen Dokusoaps. Seifen sie die Welt ebenso ein wie die Zuschauer? Und nun kommt Iso Camartin und bricht eine Lanze fürs TV. Es sei kein „Null-Medium“, wie Enzensberger anprangerte. Ganz im Gegenteil. „Fernsehen ist das Fenster zur Welt“. Das Wichtigste am Fernsehen sei, die Welt der Zuschauer mit der „Fremdwelt“ zu konfrontieren. Die ganze große Horizonterweiterung. Es gäbe zu sehen, was sonst niemand zu sehen bekäme. Nicht nur weil die Kameras überall hinkämen. Fernsehen sei ein Panoptikum von Sichtweisen.
Iso Camartin ist Literatur- und Kulturwissenschaftler, Philosoph und Publizist. Er war Professor für rätoromanische Literatur und Kultur in Zürich und hat von 2000 bis 2003 die Kulturabteilung des Schweizer Fernsehens geleitet. Neuerdings ist er Präsident von Suisseculture, einer Vereinigung der Kulturschaffenden. Soeben erschien von ihm bei Suhrkamp „Belvedere – Das schöne Fernsehen“. Darin schreibt er: „Der Kultur ureigenstes Gelände ist das Schöne, das Schaurige, das Schiefe, das Fromme, das Freche, das Finstere, das Spritzige, das Hundsföttische, das Aberwitzige, das Widersprüchliche.“