Vikram Seth
“Hinter jeder Tür in jeder gewöhnlichen Straße, in jeder Hütte in jedem gewöhnlichen Dorf auf diesem mittelmäßigen Planeten eines unbedeutenden Sterns sind Reichtümer zu finden.”
Der Schatz, der dem indischen Autor Vikram Seth als Grundstoff für sein neues Buch dienen sollte, begegnete ihm auf dem Dachboden – 18, Queens Road, Hendon, einem mediokren Stadtteil Londons – in Form eines verstaubten Koffers, angefüllt mit alten Briefen. Im Alter von siebzehn Jahren stand Vikram Seth das erste Mal vor der Tür dieses Hauses, in dem sein Onkel Shanti mit seiner deutschen Frau Henny lebte. Die beiden wurden für Vikram Seth zum europäischen Familienmittelpunkt, sie nahmen ihn bei sich auf, unterstützten und liebten ihren Neffen und sollten bis zu ihrem Tode Vertraute und Vorbilder für ihn sein. Anhand der gefundenen Briefe seiner Tante und langer Interviews, die Vikram Seth mit seinem Onkel führte, zeichnet er in “Zwei Leben” die verschlungenen biografischen Pfade des Ehepaares nach. So unbedeutend und durchschnittlich das Leben des indischen Zahnarztes und seiner jüdischen Frau augenscheinlich auch sein mag, so aufregend und aufwühlend sind die Geschicke des 20. Jahrhunderts, die sich in ihm spiegeln und es nicht nur einmal gehörig durcheinander bringen. Besonders die vom Autor nahezu unkommentierte Korrespondenz Hennys mit ihren Freunden im Nachkriegsdeutschland veranschaulicht eindrucksvoll, wie Individuen Wirklichkeit konstruieren und wie diffus deren Selbstwahrnehmung ist. In ihnen werden die hauchdünnen Grenzen von Schuld, Täterschaft und Versäumnis ausgelotet.
Mit liebevoller Nachsicht und großem Respekt für die beschriebenen Figuren fügt Vikram Seth die persönlichen und historischen Steine zu einem bewegenden Familienmosaik zusammen, das er mit dem Satz enden lässt: “Wir sollten an eine menschliche Logik und vielleicht zur rechten Zeit an die Liebe glauben.”
“Hinter jeder Tür in jeder gewöhnlichen Straße, in jeder Hütte in jedem gewöhnlichen Dorf auf diesem mittelmäßigen Planeten eines unbedeutenden Sterns sind Reichtümer zu finden.”
Der Schatz, der dem indischen Autor Vikram Seth als Grundstoff für sein neues Buch dienen sollte, begegnete ihm auf dem Dachboden – 18, Queens Road, Hendon, einem mediokren Stadtteil Londons – in Form eines verstaubten Koffers, angefüllt mit alten Briefen. Im Alter von siebzehn Jahren stand Vikram Seth das erste Mal vor der Tür dieses Hauses, in dem sein Onkel Shanti mit seiner deutschen Frau Henny lebte. Die beiden wurden für Vikram Seth zum europäischen Familienmittelpunkt, sie nahmen ihn bei sich auf, unterstützten und liebten ihren Neffen und sollten bis zu ihrem Tode Vertraute und Vorbilder für ihn sein. Anhand der gefundenen Briefe seiner Tante und langer Interviews, die Vikram Seth mit seinem Onkel führte, zeichnet er in “Zwei Leben” die verschlungenen biografischen Pfade des Ehepaares nach. So unbedeutend und durchschnittlich das Leben des indischen Zahnarztes und seiner jüdischen Frau augenscheinlich auch sein mag, so aufregend und aufwühlend sind die Geschicke des 20. Jahrhunderts, die sich in ihm spiegeln und es nicht nur einmal gehörig durcheinander bringen. Besonders die vom Autor nahezu unkommentierte Korrespondenz Hennys mit ihren Freunden im Nachkriegsdeutschland veranschaulicht eindrucksvoll, wie Individuen Wirklichkeit konstruieren und wie diffus deren Selbstwahrnehmung ist. In ihnen werden die hauchdünnen Grenzen von Schuld, Täterschaft und Versäumnis ausgelotet.
Mit liebevoller Nachsicht und großem Respekt für die beschriebenen Figuren fügt Vikram Seth die persönlichen und historischen Steine zu einem bewegenden Familienmosaik zusammen, das er mit dem Satz enden lässt: “Wir sollten an eine menschliche Logik und vielleicht zur rechten Zeit an die Liebe glauben.”